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4. Juli 2023

Die Kraft des Lichts

Neuer Assistenzprofessor am ISTA entwickelt chemische Reaktionen mit Lichtenergie

Mit Bartholomäus Pieber hat im Juni ein neuer Assistenzprofessor am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) gestartet. Der Chemiker versucht, die Kraft des Lichts als Energiequelle für die synthetische Chemie nutzbar zu machen. Zusammen mit seinem Team entwickelt er sowohl innovative chemische Reaktionen, die durch sichtbares Licht angetrieben werden, als auch nachhaltige Strategien für die Synthese von Feinchemikalien wie etwa Pharmazeutika.

Keine Scheu vor neuen Herausforderungen. Bartholomäus Piebers Forschungsgruppe ist die erste im Bereich der synthetischen organischen Chemie am ISTA. Eine große Herausforderung, aber gleichzeitig eine Möglichkeit, ganz neue Wege zu beschreiten. © ISTA

Die Lauf- oder Wanderschuhe anziehen und raus in die Natur. Für Bartholomäus Pieber ist das fixer Bestandteil der Arbeitsroutine: Es macht den Kopf frei und gibt Raum für neue Ideen. Jene kreativen Einfälle sind es auch, die ihn von der Universität Graz über das Max-Planck-Institut in Potsdam ans ISTA führten. Gemeinsam mit seinem Team verstärkt der Gruppenleiter nun das Chemie-Portfolio am Institut.

Inspiriert durch die Natur

Piebers Gruppe, das PieberLab, beschäftigt sich mit organischen Synthesen – ein Teilgebiet der Chemie, das Methoden und Strategien zu Herstellung komplexer Moleküle, aus einfachen Ausgangsstoffen untersucht. „Man kann sich das wie Lego vorstellen – viele kleine Bausteine, die man kontrolliert zusammensetzt, um etwas Größeres mit einer bestimmten Funktion zu erhalten, wie zum Beispiel ein Haus oder ein Auto. Bei uns im Labor machen wir genau das, nur eben auf Molekülebene“, erklärt Pieber.

Diese Vorgänge benötigen jede Menge Energie und üblicherweise wird dafür von Chemiker:innen Wärme genutzt. Die Natur hingegen baut komplexe Moleküle aus Wasser und Kohlendioxid zusammen und nutzt dabei das Sonnenlicht als Energiequelle (Photosynthese). Davon inspiriert, entwickelt das Team von Pieber synthetische Methoden, die ebenfalls Licht als Energiequelle nutzen. Das hat viele Vorteile: sichtbares Licht ist gefahrlos und einfach zu verwenden, erzeugt als erneuerbare Ressource keine Abfälle und ermöglicht sogar Reaktionen, die mit anderen Mitteln nur schwer oder gar nicht durchgeführt werden können.

„Damit sichtbares Licht als Brennstoff für eine chemische Reaktion nutzbar ist, benötigt es eine bestimmte Zutat im Reaktions-Cocktail. Wir nennen das einen Photokatalysator“, erklärt Pieber. Ein Photokatalysator ist ein Stoff, der die Energie des Lichts in „chemische Energie“ umwandelt, ohne dabei selbst verbraucht zu werden. Die meisten gängigen Photokatalysatoren basieren auf Edelmetallen wie Ruthenium oder Iridium. Piebers Forschungsgruppe konzentriert sich auf die Entwicklung von billigeren und nachhaltigeren Photokatalysatoren, unter anderem aus halbleitenden Materialien oder Polymeren. „Die Verfügbarkeit, die Kosten und die Toxizität von Edelmetallen stellen eine Einschränkung dar. Wir arbeiten an Molekülen und Materialien, die neben den Vorteilen auch wiederverwendet werden können“, so Pieber.

Fernsteuern mit Licht — auf die Wellenlänge kommt es an

Neben der Suche nach geeigneten Katalysatoren, untersucht das PieberLab, inwieweit Licht chemische Reaktionen steuern kann. „Wenn man Licht durch ein Glasprisma schickt, teilt es sich in mehrere Farben auf – so entstehen in der Natur Regenbogen. Dabei entspricht jeder dieser Farben einer anderen Wellenlänge und damit auch einer anderen Energie“, erklärt Pieber.

Versuchsaufbau im PieberLab. Piebers Forschungsgruppe nutzt Licht mit unterschiedlichen Wellenlängen, um chemische Reaktionen zu steuern. © Bartholomäus Pieber

Violettes Licht hat viel Energie. Das noch energiereichere, aber unsichtbare ultraviolette Licht führt auf unsere Haut zu einem Sonnenbrand. Grünes oder rotes hingegen ist energieärmer und kann unserer Haut nicht schaden. „Im Labor untersuchen wir, wie wir Licht mit unterschiedlichen Wellenlängen nutzen können, um mit maßgeschneiderten Photokatalysatoren selektiv Reaktionen auszulösen und zu steuern“, fährt Pieber fort. „So können wir je nach Farbe des Lichts zwischen verschiedenen Reaktionsergebnissen umschalten.“

Medikamente mit Licht herstellen

Die von Pieber und seinem Team untersuchten Photokatalysatoren und Methoden können für eine Vielzahl von Anwendungen eingesetzt werden, unter anderem in der Herstellung von Arzneimitteln. Die Reaktionen werden aber auch von anderen Wissenschafter:innen zur Fabrikation komplexer Naturprodukte eingesetzt. Besonders begeistert ist Pieber jedoch von der Möglichkeit, lichtgesteuerte Reaktionen zur Behandlung von Krankheiten zu verwenden.

„Sogar innerhalb des Körpers könnte man mit Licht chemische Reaktionen starten“, so Pieber. Dabei nutzt man die Tatsache, dass Licht mit geringer Energie das Gewebe durchdringen kann. Der Chemiker teilt seine langfristige Forschungsvision: „Die Fernaktivierung eines inaktiven Arzneimittels (Arzneimittelvorläufer) an der richtigen Stelle in unserem Körper oder sogar die direkte Herstellung eines aktiven Arzneimittels aus Bausteinen mithilfe von Licht ist ein äußerst spannendes neues Forschungsgebiet. Es gibt noch zahlreiche Hindernisse, bevor dies verwirklicht werden kann, aber ich bin fest davon überzeugt, dass photokatalytische Reaktionen die Art und Weise, wie wir bestimmte Krankheiten behandeln, verändern könnten.“

Am ISTA hat Pieber nun alle Ressourcen und Voraussetzungen, seinen Ideen umzusetzen. „Mich fasziniert die Aufbruchsstimmung am Campus, der frische Wind, die Möglichkeit was zu bewegen und vor allem die großartigen Wissenschafter:innen aus verschiedensten Disziplinen, mit denen man zusammenarbeiten kann. ISTA ist wirklich ein einzigartiger Ort“, ergänzt der Chemiker.

Das neu eingerichtete Labor ist bezugsfertig und der Wienerwald, der den Campus umgibt, sowie die naheliegenden Berge warten darauf, durch Laufrunden und Wanderungen erkundet zu werden.



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