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8. Oktober 2021

Gefahr durch Wirbelstürme steigt

Die erste Klimaforscherin des IST Austria untersucht, wie sich der Klimawandel auf Niederschlagsextremen auswirkt.

Using satellite images like this one of Hurricane Harvey, taken on the International Space Station (ISS), researchers are studying the climate on our warming planet. © Shutterstock/NASA Images
Mit Satellitenbilder wie diesem von Hurrikan Harvey, aufgenommen auf der Internationalen Raumstation (ISS), untersuchen Forschende das Klima auf unserem wärmer werdenden Planeten.

Jedes Jahr verursachen tropische Wirbelstürme Schäden in Milliardenhöhe und fordern hunderte Menschenleben. Auf einem wärmer werdenden Planeten könnten sie noch tödlicher werden, sagt Caroline Muller. Mit Hilfe von Hurrikan-Jägern, Satelliten und angewandter Mathematik untersucht die erste Klimawissenschafterin am Institute of Science and Technology (IST) Austria, was die globale Erwärmung für den Wasserkreislauf bedeutet.

IST Austria: Der vergangene Sommer war ein weiterer Sommer der Extreme. Große Teile Deutschlands und Österreichs waren von verheerenden Überflutungen betroffen. Wie haben Sie diesen Sommer erlebt?

Caroline Muller: Ich wollte zurück an die Arbeit, um besser zu verstehen, was vor sich geht. Was wir bereits sagen können ist, dass Treibhausgase und eine wärmere Atmosphäre zu gewissen Veränderungen führen. Dazu gehört, dass wärmere Luft mehr Wasserdampf aufnehmen kann. Der extreme Sturm im Sommer konnte also mehr Wasser transportieren, was intensivere Niederschläge bedeutet. Eine Folge des Klimawandels ist, dass Niederschlagsextreme zunehmen.

Sie sind Raumfahrttechnikerin und angewandte Mathematikerin. Wenn Sie die Internationale Raumstation (ISS) besuchen und auf die Erde hinunterschauen könnten, worauf würden Sie achten?

Muller: Ich glaube nicht, dass sie mich jemals wieder auf die Erde zurückbringen könnten, wenn da nicht meine Freunde und meine Familie wären. Ich würde mir die Wolken ansehen: Sie sehen spektakulär aus und sind physikalisch wahnsinnig faszinierend. Da gibt es so viele Prozesse auf vielen verschiedenen Ebenen – von kleinen Tropfen über Turbulenzen bis hin zur Entstehung tropischer Zyklone. Unsere Intuition sagt uns, dass wenn wir kaltes in warmes Wasser leeren, wir lauwarmes Wasser erhalten. Bei einem Zyklon gibt es aber einen ganz abrupten Übergang von dem wolkenlosen Auge zur Augenwand, einer sehr steilen Wolkenwand. Schaut man sich die Gleichungen und Dynamiken an, ergibt es allerdings Sinn.

Simulation of tropical cyclone. High-energy air is entering the cyclone at the surface, rises in the eyewall and exits at high altitudes. © Caroline Muller, IST Austria
Simulation eines tropischen Zyklons. Energiereiche Luft wird an der Erdoberfläche vom Wirbelsturm aufgenommen, steigt in der Augenwand auf und tritt in großer Höhe wieder aus. © Caroline Muller, IST Austria

Wie untersuchen Sie tropische Zyklone von Klosterneuburg aus?

Muller: Um die relevanten Daten zu bekommen, muss ich zum Glück nicht selbst mit einem Flugzeug durch Wirbelstürme fliegen, wie es die Hurrikan-Jäger machen. Ich arbeite hauptsächlich mit idealisierten numerischen Simulationen in hoher Auflösung. Zum Beispiel kann man sich mit Simulationen des Klimawandels ansehen, wie Niederschlagsextreme auf steigende Temperaturen reagieren. Die Simulationen zeigen, dass sie mit jedem zusätzlichen Grad um sieben Prozent stärker werden. Bei einer Erwärmung von drei Grad werden Niederschlagsextreme um 21 Prozent intensiver – das ist eine erhebliche Verschärfung.

Werden Zyklone durch den Klimawandel gefährlicher?

Muller: Die globalen Klimamodelle sind nicht perfekt, aber sie geben uns doch einige Antworten. Die Zahl der Zyklone schein sich nicht stark zu verändern, aber ihre Intensität nimmt zu. Das liegt daran, dass tropische Wirbelstürme ihre Energie aus den Ozeanen ziehen. Dabei nehmen die Ozeane 93 Prozent der zusätzlichen Energie auf, die die Erde aufgrund der Treibhausgase bekommt. Folglich erwärmen sie sich. Tropische Wirbelstürme lieben warmes Wasser. Dazu kommt, dass die Meeresspiegel steigen. Menschen in Küstenregionen sind also noch stärker gefährdet.

3 Faktoren, die Zyklone so zerstörerisch machen:
Windgeschwindigkeit: Tropische Wirbelstürme können mit Geschwindigkeiten von bis zu 300 km/h über die Landschaft fegen. Ab einer Windgeschwindigkeit von 100 km/h können sich Menschen kaum noch auf den Beinen halten.
Starkregen: Langsam wandernde Zyklone bringen ein Vielfaches der durchschnittlichen Wassermenge in eine Region und verursachen Überschwemmungen.
Steigende Meeresspiegel: Tropische Wirbelstürme türmen das Wasser des Ozeans an der Küste auf und verursachen Flutwellen, die mehr als zehn Meter hoch sein können. Der Anstieg des Meeresspiegels infolge der globalen Erwärmung und die immer dichter besiedelten Küsten machen Zyklone noch zerstörerischer.

Eine offene Frage der Klimaforschung ist, warum manche Tiefdruckgebiete zu Zyklonen werden und andere nicht. Was hat Strahlung damit zu tun?

Muller: Wolken haben eine starke Wechselwirkung mit Strahlung. Wir alle kennen das von der Sonneneinstrahlung: Wolken schirmen uns von der Sonne ab. Das gilt auch für die Wärmestrahlung. Die Erdoberfläche versucht, Wärme ins Weltall abzugeben, um ein Gleichgewicht mit der einfallenden Sonnenstrahlung herzustellen. Ein Teil der Wärmestrahlung wird jedoch von den Wolken abgefangen, die sie teilweise wieder an die Erdoberfläche zurückstrahlen. Das ist der Treibhauseffekt. In meiner Forschung gehe ich unter anderem der Frage nach, ob diese Strahlungswechselwirkung bei der Entstehung tropischer Wirbelstürme eine Rolle spielt. Wir haben herausgefunden, dass sie in den idealisierten Simulationen, die wir verwenden, die Entstehung von Wirbelstürmen beschleunigt. Durch die Wechselwirkung mit der Strahlung erzeugen die Wolken Temperaturgradienten und somit Bewegung – warme Luft steigt auf, kalte Luft sinkt ab. Diese Zirkulation entspricht der Zirkulation innerhalb eines tropischen Wirbelsturms. Strahlung könnte also die Entstehung eines Zyklons beschleunigen.

Die Daten, mit denen Sie arbeiten, kommen unter anderem von Satelliten. Sie selbst sind ebenfalls in einer Satelliten-Mission der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) involviert – das Projekt heißt Harmony. Was ist das Ziel?

Muller: Das Ziel ist, sich tropische Ozeane und die Atmosphäre darüber in sehr hoher Auflösung anzusehen. Auf den geplanten Satelliten befinden sich mehrere Instrumente, die die Winde nahe der Oberfläche messen würden. Diese sind von Satelliten aus besonders schwierig zu messen, weil man alles von oben sieht – je näher etwas an der Oberfläche ist, desto schwieriger ist es. Mit diesen neuen Satelliten könnten wir den Wind in Oberflächennähe mit einer horizontalen Auflösung von einigen Kilometern messen. Das wäre wirklich sehr nützlich, denn die Wolken sind eng mit der Zirkulation verbunden.

Anatomie eines tropischen Zyklons
Tropische Zyklone entstehen in der Nähe des Äquators zwischen dem fünften und dem 20. Breitengrad. Im Atlantik und Nordpazifik werden sie Hurrikans genannt, während sie in Südostasien Taifune heißen. Am ruhigsten ist es im wolkenlosen Auge im Zentrum, einem Tiefdruckgebiet. Es ist von einer steilen Wolkenwand umgeben, in der sich große Wassertropfen befinden. Auf der Südhalbkugel dreht sich ein Zyklon im Uhrzeigersinn, auf der Nordhalbkugel gegen den Uhrzeigersinn. Die vasenförmige Wolkenwand erstreckt sich von der Oberfläche bis zu einer Höhe von 10-15 Kilometern. Am stärksten ist der Sturm in Oberflächennähe, wo er auf Gebäude trifft.

Woran arbeiten Sie zurzeit?

Muller: Die Klimamodelle, die wir bisher verwendet haben, haben eine recht grobe Auflösung. Vor kurzem haben Teams auf der ganzen Welt damit begonnen, globale Klimamodelle mittlerer Komplexität mit einer sehr hohen Auflösung zu entwickeln. Sie laufen nicht so lange wie umfassende globale Zirkulationsmodelle, weil das zu teuer wäre. Aber zum ersten Mal haben wir globale hochauflösende Simulationen der Bewegung der Atmosphäre. Das Projekt heißt Dyamond und ist noch nicht abgeschlossen. In den nächsten Simulationen werden wir sehen, wie die Atmosphäre mit dem Ozean interagiert. Daran habe ich bereits mithilfe idealisierter Simulationen gearbeitet, aber diese neuen Simulationen sind realistisch. Es wäre also sehr interessant zu sehen, ob wir ähnliche Ergebnisse erhalten.

Caroline Muller. Climate scientist Caroline Muller want to contribute to a better understanding of climate change. © IST Austria
Caroline Muller. Die Klimaforscherin Caroline Muller möchte zu einem besseren Verständnis der globalen Erwärmung beitragen. © IST Austria

Wie fühlt es sich an, in diesen Zeiten, in denen sich unser Klima stark verändert, Klimaforscherin zu sein?

Muller: Lange habe ich nicht über die Folgen des Klimawandels, die auf uns zukommen, nachgedacht – mich hat einfach die Wissenschaft dahinter fasziniert. Erst als ich im Mittelmeerraum gearbeitet habe, ist es mir so richtig bewusst geworden. Diese Region ist sehr sensibel, insbesondere Spanien und Portugal. Wir bewegen uns auf ein Klima zu, das in vielen Teilen des Planeten nicht mehr erträglich sein wird. Manchmal ist das sehr deprimierend und beunruhigend. Aber mit den Schwierigkeiten, die der Klimawandel mit sich bringt, sind auch viele Chancen verbunden, und ich denke, wir haben viele Schritte unternommen, die aus klimatischer Sicht notwendig waren, aber auch zu wirtschaftlicher Entwicklung geführt haben. Ich glaube, es besteht Hoffnung, dass wir, wenn wir uns wirklich mit dem Klimawandel auseinandersetzen und lernen, ihn zu verstehen, etwas Positives für die Menschheit erreichen können. Es wäre großartig, wenn ich zum Verständnis dieser Prozesse beitragen könnte. Das ist mein Ziel.



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