Skip to main content

2. November 2023

Neuer Professor erforscht supramolekulare Chemie

Chemiker Rafal Klajn wird neuer ISTA-Professor

Nach 13 prägenden Jahren am Weizmann Institute of Science in Israel wechselt Professor Rafal Klajn nun ans Institute of Science and Technology Austria (ISTA). Seine Gruppe konzentriert sich auf supramolekulare und kolloidale Chemie. Zum Start veröffentlicht die neue Forschungsgruppe sofort ein bahnbrechendes Ergebnis: Das Fachmagazin Science publizierte vor Kurzem die neuesten Erkenntnisse der Gruppe über Moleküle, die mit farbigem Licht in andere Zustände versetzt werden können.

Professor Rafal Klajn. Nach 13 Jahren am Weizmann Institute of Science in Israel wechselt Klajn an das Institute of Science and Technology Austria (ISTA). © ISTA

Chemie und Natur vermutet man oft als Gegensätze. Doch gerade die Natur beeindruckt Chemiker:innen seit langem mit ihrer Fähigkeit, komplexe Strukturen und exquisite Nanomaterialien mit unvergleichlicher Präzision und Effizienz zu schaffen. Die Natur setzt zum Beispiel das sogenannte Nanoconfinement – die Begrenzung im Nanobereich – konsequent ein. Das Nanoconfinement unterscheidet sich grundlegend von der Art und Weise, wie Chemiker:innen derzeit Reaktionen durchführen. „Diese eine Idee fasziniert mich schon seit langem: Als Wissenschafter:innen vertiefen wir natürlich unser Verständnis der Natur“, so Klajn, „aber wir können dieses Verständnis gezielt auch nutzen.“ Für die Klajn Gruppe gibt es drei Hauptfragen.

Nanoconfinement und Selbstorganisation

Mit seiner Forschungsgruppe untersucht Klajn verschiedene Aspekte der supramolekularen Chemie –  ein Gebiet, das sich mit der Verbindung von Molekülen zu größeren „Superstrukturen“ mit neuen, „emergenten“ Eigenschaften befasst. Die Emergenz bezeichnet die Eigenschaften oder Verhaltensweisen, die ein komplexes Gebilde erst durch das Zusammenwirken seiner Einzelteile in einem größeren Ganzen aufweist.

Die erste Säule der Klajn Gruppe ist Chemie, die damit arbeitet, dass Stoffe räumlich eingeschlossen sind, nämlich in Nanometerbereichen. Das Team entwirft und entwickelt neuartige molekulare Ensembles und Materialien, die solche Begrenzungen im Nanobereich enthalten, und erforschen deren Eigenschaften. „Dieser Ansatz hat das Potenzial, uns innovative Wege zur Durchführung chemischer Reaktionen zu zeigen“, zeigt sich Klajn überzeugt, „und ebnet letztlich den Weg zur Synthese einzigartiger Nanostrukturen und -materialien.“

Der zweite Fokus gilt der Selbstorganisation von Teilchen von 1 bis 100 Nanometern Ausdehnung – kleiner als 1/1000 der Breite eines menschlichen Haares. Die Gruppe untersucht, wie Nanopartikel miteinander interagieren, um so präzise Kontrolle über die Selbstorganisation zu erlangen. Damit wollen sie komplexe Materialien erzeugen, die neuartige Funktionalitäten aufweisen.

Der dritte Forschungsschwerpunkt befasst sich mit der Frage, wie hochentwickelte selbstorganisierte Strukturen – denken wir an die komplexen supramolekularen Architekturen, die lebende Organismen ausmachen – fernab des thermodynamischen Gleichgewichts stabil bleiben. Die Gruppe untersucht die Konstruktionsprinzipien für solche Strukturen, insbesondere für Systeme, die sich unter Einfluss von Licht, Magnetfeldern oder chemischen Brennstoffen zusammensetzen.

Das neue Paper in Science betrifft zwei dieser Säulen: Sie stellt einen neuen, auf Nanoconfinement basierenden Ansatz vor, der das Lichtspektrum erweitert, das man zum „Umschalten“ eines Moleküls nutzen kann. Was heißt das genau?

Breitband-Fotoschalter

Azobenzole sind die einfachsten und am besten untersuchten Moleküle, deren Zustand man mit Licht umschalten kann. Werden sie mit ultraviolettem (UV) Licht bestrahlt, wechselt ihre Konfiguration von der stabilen E- („entgegen“) zur metastabilen, hochenergetischen Z-Form („zusammen“). Dieser Prozess, der als „Photoisomerisierung“ bezeichnet wird, ist reversibel: Die „Rückisomerisierung“ von Z nach E erfolgt spontan innerhalb von Zeiträumen, die je nach Molekül von Millisekunden bis zu Jahrhunderten reichen. Die hochreversible Natur zwischen E und Z führte zu Anwendungsfällen von Azobenzole in Energiespeichersystemen, schaltbarer Katalyse und Photopharmakologie. Dass man nur UV-Licht verwenden konnte, schränkte die Praktikabilität erheblich ein.

Jetzt überwand die Klajn Gruppe diese Einschränkung basierend auf einer Inspiration aus der Natur. Einige Fischarten der Tiefsee haben im Laufe der Evolution eine clevere Methode entwickelt, um den Absorptionsbereich ihrer Sehpigmente zu erweitern. Die Fischnetzhäute wenden ein Sehpigment namens „Retinal“ an. Retinal kann ein anderes Molekül zur Erkennung von rotem Licht fast wie eine Art „Antenne“ verwenden, die das rote Licht einfängt. Dieses führt dazu, dass Retinal seine Konfiguration ändert, was schlussendlich zum Sehen führt. Die neue Methode der Klajn Gruppe verwendet eine Kombination, die an das natürliche Antennen-Retinal-Duo erinnert. Sie besteht aus einem Azobenzol und einem sichtbaren Farbstoff, der als Lichtsensibilisator wirkt. Indem die Forschenden Nanoconfinement auf diesen Farbstoff zusammen mit einem Azobenzol anwenden, kann jede „Farbstoff-Antenne“ Hunderte von E-Azobenzol-Molekülen in die metastabile Z-Form umwandeln und so die Energie des sichtbaren Lichts in chemische Energie umwandeln. Je nach Wahl des Farbstoffs kann die gewünschte Farbe des sichtbaren Lichts – nicht nur UV, sondern auch das gegenüberliegende Rot – zur Steuerung des Prozesses verwendet werden.

„Der Prozess ist im Prinzip auch auf andere Klassen von fotoschaltbaren Verbindungen anwendbar“, kommentiert Klajn die möglichen Auswirkungen seiner Ergebnisse. „Wir rechnen damit, dass unsere Methode ein leistungsfähiges Werkzeug sein wird, zur Steuerung der chemischen Reaktivität durch eine Kombination aus Licht und Nanoconfinement.“

Drei zentrale Forschungsfragen. Die Klajn-Gruppe erforscht Nanoconfinement-Effekte, die Selbstorganisation von Nanopartikeln und auf Stimuli reagierende Materialien. © Rafal Klajn

Klajns Weg ans ISTA

Der gebürtige Pole Klajn erhielt seine frühe Chemieausbildung in seiner Heimatstadt Wrocław (Breslau) und später an der Uniwersytet Warszawski (Universität Warschau). Im Jahr 2009 promovierte er in Chemie- und Bioingenieurwesen an der Northwestern University (Illinois, USA), wo er unter der Leitung von Prof. Bartosz A. Grzybowski arbeitete. Anschließend wechselte er an die Abteilung für organische Chemie des Weizmann Institute of Science in Israel, wo er zahlreiche Auszeichnungen und Preise erhielt. Seine Arbeit wurde durch Auszeichnungen der American Chemical Society (ACS) und von Chemiegesellschaften in den Niederlanden, Deutschland, Japan und Israel gewürdigt. Er erhielt zwei Stipendien des Europäischen Forschungsrats (ERC Starting Grant 2013 und ERC Consolidator Grant 2018). Er war Mitbegründer der Gordon Research Conference (GRC)-Reihe über künstliche molekulare Schalter und Motoren im Jahr 2015 und leitete kürzlich GRCs über Selbstanordnung und supramolekulare Chemie sowie Systemchemie.

Bei seinem Start am ISTA im Jahr 2023 ist Klajn der sechste Gruppenleiter für Chemie. „Die Bedingungen und Möglichkeiten, die hier geboten werden, sind einfach hervorragend. Ich bin zuversichtlich, dass das ISTA mit seiner schnell wachsenden Chemie-Sparte bald für seine chemische Forschung anerkannt sein wird, und ich freue mich, Teil dieser Reise zu sein. Ich freue mich auch darauf, mögliche Kooperationen mit meinen fantastischen neuen Kolleg:innen zu erkunden.“

Publikationen:

Neu – Photoumschaltung von Azobenzolen bei sichtbarem Licht

  • J. Gemen et al., Disequilibrating azobenzenes by visible-light sensitization under confinement, Science 2023, 381, 1357–1363. DOI: 10.1126/science.adh9059

Chemie und Nanoconfinement

  • A. B. Grommet, M. Feller, and R. Klajn, Chemical reactivity under nanoconfinement, Nat. Nanotech. 2020, 15, 256–271. DOI: 10.1038/s41565-020-0652-2
  • H. Zhao et al., Reversible trapping and reaction acceleration within dynamically self-assembling nanoflasks, Nat. Nanotech. 2016, 11, 82–88. DOI: 10.1038/nnano.2015.256

Selbstorganisation im Nanobereich

  • T. Bian et al., Electrostatic co-assembly of nanoparticles with oppositely charged small molecules into static and dynamic superstructures, Nat. Chem. 2021, 13, 940–949. DOI: 10.1038/s41557-021-00752-9
  • T. Udayabhaskararao et al., Tunable porous nanoallotropes prepared by post-assembly etching of binary nanoparticle superlattices, Science 2017, 358, 514–518. DOI: 10.1126/science.aan6046

Auf Stimuli reagierende Materialien

  • J. Wang, T. S. Peled, R. Klajn, Photocleavable anionic glues for light-responsive nanoparticle aggregates, J. Am. Chem. Soc. 2023, 145, 4098–4108. DOI: 10.1021/jacs.2c11973
  • P. K. Kundu et al., Light-controlled self-assembly of non-photoresponsive nanoparticles, Nat. Chem. 7, 646–652. DOI: 10.1038/nchem.2303


Teilen

facebook share icon
twitter share icon
back-to-top icon
Nach Oben